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Finanzwissenschaftliche Bewertung des Ausschöpfungsgrads von Gewerbe- und Grundsteuer in Rheinland-Pfalz

Thomas Döring and Franziska Rischkowsky

sofia Diskussionsbeiträge 2015, No. 3 https://doi.org/10.46850/sofia.9783941627437

Mit Blick auf Deutschland steht außer Frage, dass die im bestehenden föderativen System enthaltene Garantie der kommunalen Selbstverwaltung ein hinreichendes Maß an dezentraler Finanzautonomie voraussetzt. Die Bewältigung der den Kommunen im Rahmen der föderalen Zuständigkeitsverteilung zugewiesenen Aufgaben und das Tätigen der damit verbundenen Ausgaben sind ohne eine entsprechende Ausstattung mit Einnahmen, d.h. der Verfügbarkeit über angemessene finanzielle Mittel zur Aufgabenerfüllung, nicht möglich. Diese grundlegende Einsicht spiegelt sich bereits in Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG), wonach den Gemeinden und Gemeindeverbänden das Recht gewährleistet sein muss, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. Und weiter heißt es dort: „Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung“. Dieser im Rahmen der Grundgesetzanpassung von 1994 hinzugefügte Satz stellt nicht allein eine verfassungsrechtliche Grundlage für die Zuweisung eigener Steuerhoheiten an die kommunale Ebene durch den Bundesgesetzgeber dar. Er ist zugleich auch die grundgesetzliche Basis einer garantierten (vertikalen) Zuweisung von finanziellen Mitteln eines jeweiligen Landes an seine Kommunen und bildet damit den rechtlichen Bezugspunkt für den auf Landesebene bestehenden kommunalen Finanzausgleich, dessen Durchführung in den jeweiligen Landesverfassungen geregelt ist. Vor diesem Hintergrund hat auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 14. Februar 2012 im Rahmen des Normenkontrollverfahrens zur Änderung des Landesfinanzausgleichsgesetzes vom 12. Juni 2007 zum einen auf die Verpflichtung des Landes aus Art. 49 Abs. 6 LV hingewiesen, über den kommunalen Finanzausgleich eine „angemessene Finanzausstattung“ der Kommunen zur Erfüllung pflichtiger wie freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben zu gewährleisten. Zugleich wird vom Verfassungsgerichtshof zum anderen aber auch darauf verwiesen, dass als wesentliche Grundlage für einen funktionsfähigen Finanzausgleich „die Kommunen ihre eigenen Einnahmequellen angemessen auszuschöpfen und Einsparpotentiale bei der Aufgabenwahrnehmung zu verwirklichen“ haben. Als unmittelbare Folge aus dieser vom Verfassungsgerichtshof formulierten Anforderung an die kommunale Einnahmenpolitik kann das Land „im Gegenzug für seinen Beitrag zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise verlangen, dass auch die Kommunen ihre Kräfte größtmöglich anspannen“ (ebenda). Auch wenn die zurückliegend formulierten Anforderungen auf sämtliche Kommunen in Deutschland zutreffen, soll im vorliegenden Beitrag beispielhaft die aktuelle Klage eines Teils der Kommunen des Landes Rheinland-Pfalz, der zufolge die Regelungen des Landesfinanzausgleichsgesetzes für das Jahr 2014 als nicht ausreichend gelten, um die Vorgaben aus dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom 14. Februar 2012 zu erfüllen, zum Anlass für eine entsprechende Überprüfung der Einnahmenpolitik der Städte und Gemeinden des Landes genommen werden. Hierbei wird sich auf eine Analyse der bestehenden Finanzierungsspielräume im Bereich der sogenannten Realsteuern (Gewerbesteuer, Grundsteuer B, Grundsteuer A) als jenen kommunalen Einnahmequellen konzentriert, die bekanntermaßen mit Abstand zu den bedeutendsten Einnahmequellen von Städten und Gemeinden zählen, die von diesen eigenverantwortlich gestaltet werden können. Ziel der nachfolgenden Untersuchung ist folglich die Fragestellung, ob die rheinland-pfälzischen Kommunen die ihnen im Rahmen der Realsteuerpolitik zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Finanzierung ihrer Haushalte in angemessenem Umfang in den zurückliegenden Jahren ausgeschöpft haben. Als Betrachtungszeitraum für die empirische Analyse werden dabei die Jahre 2007 bis 2013 zugrunde gelegt, wobei immer dann, wenn Daten der amtlichen Statistik auch für 2014 bereits verfügbar sind, diese in die Betrachtung mit einbezogen werden.

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