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Marktchancen für „nachhaltigere Chemie“ durch die REACH-Verordnung (SuSport-Projekt)

Forschungsprojekt der Sonderforschungsgruppe Institutionenanalyse (sofia) an der Hochschule Darmstadt
in Kooperation mit dem Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie (BSI) und
dem Verband TEGEWA (Textil- und Lederchemikalien-Hersteller im VCI e.V.) -
SuSport-Projekt (Sustainable Sporting Goods)

Fördergeber: Deutsche Bundestiftung Umwelt (DBU)

Veröffentlichungen:

Julian Schenten, Martin Führ, Silke Kleihauer, Joana Schönborn
Traceability as driver for more sustainable chemistry in the global textile supply chains,
in: Current Opinion in Green and Sustainable Chemistry (Elsevier), 2019 (19), 87-93
DOI: https://doi.org/10.1016/j.cogsc.2019.08.003

Kleihauer, Silke, Martin Führ und Julian Schenten
Marktchancen für "nachhaltigere Chemie" durch die REACH-Verordnung -
Am Beispiel globaler Lieferketten in der Textil- und Sportartikel-Industrie

sofia-Studien zur Institutionenanalyse 19-1, Darmstadt 2019
DOI: https://doi.org/10.46850/sofia.9783941627697

 

Details zum Szenario-Prozess: Die Textilindustrie 2030


Vorträge:

- Nordic Chemicals Summit, 10-11 October 2017, Copenhagen, Denmark

- Technische Jahrestagung TEGEWA, 19. Oktober 2017, Mainz

Kurz-Video

- auf englisch

- auf deutsch

 

Hintergrund des Vorhabens

Die Industrie setzt chemische Produkte in praktisch allen Lieferketten ein. Manche Chemikalien sind unproblematisch einsetzbar, andere können Schäden an Mensch und Umwelt verursachen, wenn sie problematische Eigenschaften haben und zu relevanten Expositionen führen; bei wieder anderen ist unklar, ob und welche Wirkungen sie haben. Sowohl auf globaler wie auch auf europäischer und nationaler Ebene gibt es eine Reihe von Initiativen, die darauf abzielen, die Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch Chemikalien zu reduzieren. Auf der Rio-Nachfolgekonferenz in Johannesburg formulierte man 2002 entsprechende Ziele für das Jahr 2020. Als Beiträge auf dem Weg hin zu einer „nachhaltig(er)en Chemie“ zu nennen sind hier etwa

  • die Ansätze zum globalen Chemikalienmanagement (Strategic Approach to International Chemical Management – SAICM),
  • die für langlebigen organischen Stoffe verabschiedete POP-Konvention
  • sowie – als im internationalen Maßstab besonders anspruchsvollen regulatorischen Ansatz –  die REACH-Verordnung der Europäischen Union.

Gemeinsames Ziel dieser Regelwerke und Initiativen ist es, darauf hinzuarbeiten, dass Mensch und Umwelt nicht mit problematischen Stoffen in Kontakt kommen. Dies betrifft sowohl den Einsatz von Chemikalien in Produktionsprozessen als auch in Verbraucherprodukten.

Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es Veränderungen entlang der (meist: globalen) Lieferketten. Angesichts der Vielzahl problematischer Stoffe und der Komplexität der Produktionsverfahren ist über die bloße Einhaltung von Stoffverboten (Compliance) hinaus, ein proaktives Handeln notwendig. Denn Innovationen lassen sich nicht durch hoheitliche Vorgaben erzwingen. Vielmehr haben die Akteure entlang der Lieferkette ihren jeweiligen Beitrag zu den Veränderungsprozessen zu leisten. Dies setzt aber voraus, dass die jeweiligen Unternehmen einen wirtschaftlichen Anreiz sehen, der es ihnen erlaubt, eingespielte Lösungen durch weniger problematische Alternativen zu ersetzen.

Kurz gesagt: Weil es unrealistisch ist, dass der Staat alle problematischen Stoffe umfassend reguliert, bedarf es entsprechender „Markt-Chancen“, aus denen proaktive Unternehmen Innovationen in Richtung einer „nachhaltig(er)en Chemie“ realisieren.

Die vorstehende Herausforderung stellt sich auch für die Mode- und Textilindustrie (einschließlich Sportartikel): Rund 7000 chemische Produkte unterstützen die Herstellung modischer Bekleidung, vom Färben bis zur Imprägnierung. Nicht zuletzt durch den Druck der Detox-Kampagne von Greenpeace hat die Bekleidungsbranche reagiert und die ZDHC-Initiative (Zero Discharge of Hazardous Substances; siehe www.roadmaptozero.com) ins Leben gerufen. Diese umfasst eine gemeinsame Selbstverpflichtung, bis 2020 weltweit eine Reihe von Chemikalien aus den Produktionsprozessen zu entfernen.

Wenn die beteiligten Unternehmen dieses selbst gesetzte Handlungsziel erreichen wollen, müssen sie die Hemmnisse überwinden, die dem momentan noch entgegenstehen; was zugleich voraussetzt, dass es hinreichend deutliche Anreize gibt, sich auf die Veränderungsprozesse einzulassen. Relevante Akteure sind dabei im Wesentlichen Hersteller von Textilchemikalien (in Deutschland organisiert im Verband TEGEWA) sowie Unternehmen, die Textil-Erzeugnisse, also etwa Bekleidung und Sportartikel, herstellen (lassen) und vermarkten (organisiert im BSI).

 

Projektbeschreibung

Auf globaler Ebene haben sich zentrale „brands“ (darunter auch drei der größeren BSI-Unternehmen) der ZDHC-Initiative angeschlossen. Daraus resultiert ein Handlungsdruck im Hinblick auf das selbstgesetzte 2020-Ziel (zero discharge of hazardous chemicals). Hinzu kommt, dass damit zu rechnen ist, dass die regulatorischen Prozesse nach und nach neue problematische Stoffe identifizieren.

Der BSI geht davon aus, dass seine Mitgliedsunternehmen die Stoffe und ihre Eigenschaften in der Lieferkette kennen müssen, um sie aktiv steuern zu können. Sind die problematischen Stoffe erkannt, gilt es, diese durch Alternativen zu ersetzen.

Die BSI-Unternehmen verfügen jedoch oftmals nicht über hinreichende Information, welche Stoffe an welcher Stufe der Lieferkette zum Einsatz kommen. Zudem sind die kleineren Unternehmen häufig nicht in der Lage, die Stoffe im Hinblick auf ihre problematischen Eigenschaften einzuordnen, da Fachwissen in Bezug auf Textilchemikalien fehlt. Um diese Hemmnisse zu überwinden, haben die  ZDHC und die AFRIM bereits eine ganze Reihe von Hilfsmitteln (Stofflisten, Management-Leitfaden etc.) entwickelt. Auch gibt es eine Vielzahl weiterer Angebote (u.a. der GIZ), die sich speziell an die Textil- Unternehmen richten; jüngst etwa der „textile guide“ des Internationalen Chemikaliensekretariats ChemSec.

Im Projekt zu klären bleibt, ob und in welcher Weise die BSI-Unternehmen diese Hilfsmittel nutzen und welche Resultate sie dabei erzielen. Treten Lücken im Hinblick auf die selbst formulierten Ziele zum Chemikalien-Management, Hemmnisse oder Anreizdefizite zu Tage, ließe sich weiterer Optimierungs- oder Kommunikationsbedarf formulieren.

Damit für die gesamte Lieferkette die Informationen über die eingesetzten Stoffe vorliegen, ist zudem nach Wegen zu suchen, mit denen sich die Informationspflichten zwischen den Unternehmen der TEGEWA und denen des BSI verbessern ließe.

Zu klären ist, mit welchen Austauschmechanismen sich die selbst gesetzten Ziele erreichen lassen, welche Hemmnisse - etwa im Hinblick auf den Schutz von Rezepturen oder Verfahren – es in diesem Zusammenhang gibt und wie die Akteure die damit verbundenen Interessenkonflikte in der Praxis bewältigen. Auch aus den auf diesem Wege gewonnenen Erkenntnissen ließen sich Optimierungsbedarfe ableiten.

Aus der Perspektive des BSI fehlt es außerdem häufig an Alternativen, um die problematischen Stoffe ersetzten zu können. Aus ihrer Sicht ist zu klären, wie sie gemeinsam mit anderen Branchen Einkaufsbedingungen formulieren können, um einen innovationsstimulierenden Nachfrage-Pull zu mobilisieren.

Die Firmen des Verbandes TEGEWA verfügen über das Know-how, Alternativ-Lösungen zu entwickeln und zur Marktreife zu führen. In vielen Fällen sind solche Lösungen bereits entwickelt und werden auch angeboten, treffen jedoch auf Absatzmärkte, in denen keine Anreize bestehen, diese Lösungen einzusetzen. Eine Vielzahl der globalen textilen Kunden greift auf etablierte und günstigere Produkte zurück, die problematische Stoffe enthalten, da es entlang der globalen Lieferkette an international gültigen Standards fehlt.

Zu klären ist, welche Anreize für welche Akteure in der Lieferkette notwendig sind, um den Nachfrage- Pull auf die nachhaltigeren Chemieprodukte zu aktivieren.

In Zukunft könnten zudem REACH-Mechanismen zusätzliche Impulse setzen, wenn absehbar ist, dass die EU einzelne Stoffe in ihrer Verwendung beschränkt oder der Zulassungspflicht unterwirft. Wer rechtzeitig Alternativlösungen entwickelt, profitiert von hoheitlich geschaffenen Märkten - zunächst jedenfalls in der EU. Hier ist zu klären, welche Anreize notwendig sind, um solche Chancen zu nutzen.

Die unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Unternehmen sowie die der zuständigen Behörden kommen zusammen am „Runden Tisch“. Dieser bietet ein Forum zum Austausch darüber, welche Wege es gibt, die unterschiedlichen Interessen sowie die korrespondierenden Optimierungsbedarfe im Hinblick auf das Ziel, bis 2020 keine problematischen Inhaltsstoffe mehr einzusetzen, in Einklang zu bringen. Im Mittelpunkt stehen dabei drei Handlungsfelder:

  • Einerseits geht es darum, einen innovationsstimulierenden Nachfrage-„pull“ zu mobilisieren;
  • andererseits ist zu diskutieren, welche Anforderungen ein System zu erfüllen hat, mit dem sich Stoffinformationen entlang der Lieferkette weitergeben lassen.
  • Der Runde Tisch bearbeitet zudem die Frage, wie sich ein „Frühwarnsystem“ im Hinblick auf regulative Prozesse zu problematischen Stoffen ausgestalten ließe und welche Anforderungen proaktiv ausgerichtete Unternehmen daran stellen.

Methodisch setzt das Vorhaben, gestützt auf eine Analyse der Anreize und Hemmnisse für die relevanten Akteure, vor allem darauf, die für das Chemikalien-Management zentralen – und daher auch in der REACH-Verordnung gestärkten – Instrumente der Information, Kommunikation und Kooperation (IKuK-Instrumente) entlang der gesamten, meist globalen Lieferkette zum Tragen zu bringen. So gilt es,

  • bestehende Informations-Barrieren im Hinblick auf die bereits vorhandenen Möglichkeiten des Chemikalien-Managements sowie marktöffnenden Elemente der REACH Mechanismen abzubauen und die daraus resultierenden Marktchancen beispielhaft aufzuzeigen sowie
  • die Kommunikation und Kooperation der Akteure zu verstärken.

Stand 2019-09-06