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Einbindung der neuen Länder in den bundesstaatlichen Finanzausgleich - Eine empirische Schätzung der Einheitslasten der westdeutschen Länder

Thomas Döring and Lorenz Blume

sofia Diskussionsbeiträge 2012, No. 4 https://doi.org/10.46850/sofia.9783941627215

Sowohl in der finanzwissenschaftlichen als auch der rechtswissenschaftlichen Diskussion in Deutschland besteht Einigkeit darüber, dass die fiskalischen Folgen der Wiedervereinigung von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam zu tragen sind. Mit diesem Verständnis der Deutschen Einheit als „Gemeinschaftsaufgabe“ aller drei Gebietskörperschaftsebenen des föderalen Bundesstaates ist die Vorstellung verknüpft, dass es diesbezüglich zu einer angemessenen Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen kommt. Eine vollständige Kosten-Nutzen-Analyse des deutschen Vereinigungsprozesses und seiner Auswirkungen auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen, die die verschiedenen Haben- und Soll-Positionen in aller Breite und Differenziertheit erfasst, ist dabei aus ökonomischer Sicht aufgrund der schieren Quantität der zu berücksichtigenden Nutzen- und Kosteneffekte kaum zu bewältigen. Diese Komplexität reduziert sich zwar, wenn nur die finanzwirtschaftlichen Effekte des deutschen Vereinigungsprozesses betrachtet werden, aber auch eine solche Analyse muss eine Vielzahl entsprechender Lasten in den Blick nehmen. Vor diesem Hintergrund sind die nachfolgenden Überlegungen auf zwei zentrale Punkte ausgerichtet: Zum einen bedarf der Begriff der „Einheitslasten“ einer grundlegenden Klärung (Abschnitt 2). Dabei steht die Frage im Zentrum, ob das ökonomische Lastenverständnis sich in der Erfassung reiner Zahlungsströme erschöpft oder auch darüber hinausgehende Tatbestände zu berücksichtigen sind. Zum anderen wird in diesem Beitrag ein methodischer Ansatz entwickelt, mit dem die Einheitslasten, die aus dem unmittelbar horizontalen Länderfinanzausgleich resultieren, empirisch quantifiziert werden können (Abschnitt 3). In Abhängigkeit von den verfügbaren Daten sowie zur Gewährleistung einer hinreichenden Zahl an statistisch verwertbaren Datenpunkten werden hierzu die Jahre von 1969 bis 2009 als Betrachtungszeitraum für einen ökonometrischen Strukturbruchtest gewählt. Auf dieser Grundlage lassen sich sowohl die durchschnittliche Belastung aller westdeutschen Länder insgesamt als auch die individuelle Belastung einzelner Länder aus der Einbeziehung der ostdeutschen Länder in den horizontalen Finanzausgleich näher bestimmen.

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