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Finanzausgleichsbedingte Einheitslasten der Länder – eine empirische Quantifizierung am Beispiel des Landes Nordrhein-Westfalen

Thomas Döring and Lorenz Blume

sofia Diskussionsbeiträge 2012, No. 2 https://doi.org/10.46850/sofia.9783941627178

Sowohl in der finanzwissenschaftlichen als auch der rechtswissenschaftlichen Diskussion in Deutschland besteht Einigkeit darüber, dass die fiskalischen Folgen der Wiedervereinigung von Bund, Ländern und Kommunen gemeinsam zu tragen sind. Mit diesem Verständnis der Deutschen Einheit als „Gemeinschaftsaufgabe“ aller drei Gebietskörperschaftsebenen des föderalen Bundesstaates ist die Vorstellung verknüpft, dass es diesbezüglich zu einer angemessenen Lastenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen kommt. Eine vollständige Nutzen-Kosten-Analyse des deutschen Vereinigungsprozesses und seiner Auswirkungen auf die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen, die die verschiedenen Haben- und Soll-Positionen in aller Breite und Differenziertheit erfasst, ist dabei aus ökonomischer Sicht aufgrund der schieren Quantität der zu berücksichtigenden Nutzen- und Kosteneffekte kaum zu bewältigen. Diese Komplexität reduziert sich zwar, wenn nur die finanzwirtschaftlichen Effekte des deutschen Vereinigungsprozesses betrachtet werden, aber auch eine solche Analyse muss eine Vielzahl entsprechender Lasten in den Blick nehmen. die Überlegungen in diesem Artikel sind auf zwei zentrale Punkte ausgerichtet: Zum einen bedarf der Begriff der „Lasten“ einer grundlegenden Klärung (Abschnitt 2). Im Zentrum steht die Frage, ob das ökonomische Lastenverständnis sich in der Erfassung reiner Zahlungsströme erschöpft oder auch darüber hinausgehende Tatbestände zu berücksichtigen sind. Die universelle Anwendung des ökonomischen Lastenverständnisses lässt sich dabei sehr gut anhand ausgewählter Beispiele aus dem Bereich der Finanzwissenschaft illustrieren. Zum anderen wird in diesem Beitrag am Fallbeispiel der finanzausgleichsbedingten Einheitslasten des Landes Nordrhein Westfalen ein methodischer Ansatz entwickelt, mit dem Einheitslasten empirisch quantifiziert werden können (Abschnitt 3). In Abhängigkeit von den verfügbaren Daten sowie zur Gewährleistung einer hinreichenden Zahl an statistisch verwertbaren Datenpunkten werden hierzu die Jahre von 1969 bis 2009 als Betrachtungszeitraum für einen ökonometrischen Strukturbruchtest gewählt.

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