Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Städteforschung: Stadt als Gegenstand interdisziplinärer Forschung - nur ein einfacher Perspektivwechsel?

Georg Cichorowski

sofia Diskussionsbeiträge 2011, No. 11 https://doi.org/10.46850/sofia.9783941627147

Die Darmstädter Städteforschung nimmt nicht den Blickwinkel ein, dass die Stadt ausschließlich eine Schaubühne allgemeiner gesellschaftlicher Prozesse sei, die aufgrund ihrer Verdichtung in der Stadt hier besonders augenfällig und besser zu analysieren seien, sondern stellt das Charakteristische einzelner Städte, ihre Individualität in den Mittelpunkt ihrer Untersuchungen (s. z.B. Berking/Löw 2008). Daraus könnte in einer weiteren Phase eine Systematik von Städte- ‚Charakteren‘ entstehen. Die aus Innen- wie Außensicht evidenten Differenzen zwischen Städten gehen zurück auf vielfältige lokal vorfindbare Prägungen materieller, sozialer und kultureller Art. Sie manifestieren sich im äußeren Erscheinungsbild, aber auch in Kultur und Mentalität der jeweiligen Stadt. „Städtische Eigenlogik bezeichnet die dauerhaften Dispositionen, die an die Sozialität und Materialität von Städten gebunden sind, und konstituiert sich in einem relationalen System globaler, lokaler und nationaler Bezüge“ (Löw 2008a: 49). Das Konzept zielt also auf die Frage, wie eine Stadt „tickt“, wie sie sich in ihren Wahrnehmungs- und Handlungsmustern von einer anderen Stadt unterscheidet (s.a. FGB 2010). Für die beteiligten Forscher stellt sich die Frage, wie die eigensinnige, lokal spezifische Wirklichkeit dieser Stadt im Unterschied zu jener Stadt theoretisch und empirisch erfasst werden kann. Als grundlegender Untersuchungsschritt bietet sich der Städtevergleich an, weil Unterschiede zwischen Städten hier am klarsten sichtbar und damit für die wissenschaftliche Erforschung operationalisierbar werden. „Das Eigene der Städte entwickelt sich sowohl aufgrund historisch motivierter Erzählungen und Erfahrungen als auch im relationalen Vergleich zu formgleichen Gebilden, das heißt zu anderen Städten. Städtische Eigenlogik betont sowohl die eigensinnige Entwicklung einer Stadt als auch deren daraus resultierende kreative Kraft der Strukturierung von Praxis“ (LÖW 2008a: 43). Die Logik einer Stadt wird also in anderen Städten mitgeformt, sie ist ein „ortsbezogener Prozess, der nicht nur an einem Ort stattfindet“ (Löw 2008b: 100) und erfordert daher ein komparatives Forschungsdesign, da das Eigene nur in der Differenz erkannt werden kann (Frank 2010: 14f)“FGB 2010.

Access full article

References

  1. Berking, Helmuth (2008): Städte lassen sich an ihrem Gang erkennen“ – Skizzen zur Erforschung der Stadt und der Städte. In: Berking, Helmuth und Martina Löw (Hrsg.): Die Eigenlogik der Städte. Neue Wege für die Stadtforschung. Campus Verlag Frankfurt.
  2. Berking, Helmuth und Martina Löw (Hrsg.) 2008: Die Eigenlogik der Städte. Neue Wege für die Stadtforschung. Campus Verlag Frankfurt 2008.
  3. Bertels, Lothar (Hrsg.) (2008): Stadtgespräche. VS Verlag Wiesbaden. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91122-9.
  4. Bizer, K.; Gubaydullina, Z. (2007): Das Verhaltensmodell der interdisziplinären Institutionenanalyse in der Gesetzesfolgenabschätzung. In: Führ, M.; Bizer, K.; Feindt, P.H.: Menschenbilder und Verhaltensmodelle in der Politikberatung. Nomos Verlag Baden-Baden 2007. DOI: https://doi.org/10.5771/9783845201931-37.
  5. Bizer, K.; Führ, M.; Hüttig, C. (Hrsg.) (2002): Responsive Regulierung. Beiträge zur interdisziplinären Institutionenanalyse und Gesetzesfolgenabschätzung. Mohr Siebeck Tübingen.
  6. Cichorowski, Georg (2009): Institutionen des Nutzungs(zyklus)managements. Eine städtebauliche und institutionenanalytische Perspektive auf Handlungsbedarf und –möglichkeiten zur Zukunftssicherung von Wohnquartieren der 50er und 60er Jahre. sofia-Studien zur Institutionenanalyse Nr. 09-1, Darmstadt, 2009.
  7. Coleman, James S. (1990): Foundations of Social Theory. Cambridge, Massachusetts, London.
  8. Esser, Hartmut (1993): Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Campus Frankfurt a.M.
  9. Esser, Hartmut (1999): Soziologie. Spezielle Grundlagen Band 1: Situationslogik und Handeln. Campus Verlag Frankfurt.
  10. Esser, Hartmut (2000a): Soziologie. Spezielle Grundlagen Band 2: Die Konstruktion der Gesellschaft. Campus Verlag Frankfurt.
  11. Esser, Hartmut (2000b): Soziologie. Spezielle Grundlagen Band 5: Institutionen. Campus Verlag Frankfurt.
  12. Esser, Hartmut (2007): Der Handlungsbegriff in der modernen Soziologie. In: Altmeppen, K.-D.; Hanitzsch, Th.; Schlüter, C. (Hrsg.): Journalismustheorie: Next Generation. Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden 2007, S. 27-46. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90401-6_2.
  13. Esser, Hartmut 2009: Soziologische Anstöße. In: Hill, Paul, Kalter, F. u.a. (Hrsg.): Hartmut Essers Erklärende Soziologie. Campus Verlag Frankfurt 2009, S. 17-30.
  14. FGB (2010): Antrag auf Einrichtung einer Forschergruppe zum Thema „Wege zur nachhaltigen Entwicklung von Städten“ Darmstadt 2010 unveröffentlicht Frank, Sybille (2011): Eigenlogik der Städte. Forschungsstand und Perspektiven. In: Eckart, Frank (Hrsg.): Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden.
  15. Führ, M.; Bizer, K. u.v.a. (2009): Evaluation des UVP-Gesetzes des Bundes. Auswirkungen des UVP-Gesetzes auf den Vollzug des Umweltrechts und die Durchführung von Zulassungsverfahren für Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen. sofia Berichte sb01 Darmstadt 2009.
  16. Führ, M.; Bizer, K.; Feindt, P. H. (2007): Menschenbilder und Verhaltensmodelle in der wissenschaftlichen Politikberatung. Baden-Baden.
  17. Führ, M. (2003): Eigen-Verantwortung im Rechtsstaat. Berlin.
  18. Göbel, Elisabeth (2002): Neue Institutionenökonomik. Konzeption und betriebswirtschaftliche Anwendungen. Lucius und Lucius Stuttgart.
  19. Greshoff, Rainer und Uwe Schimank (o.J.): Die integrative Sozialtheorie von Hartmut Esser. www.Fernuni-Hagen.de/ESGW/Soz/weiteres /pre prints/russ.pdf 28 Seiten abgerufen am 3.6.2011.
  20. Greshoff, Rainer und Uwe Schimank (2006): Integrative Sozialtheorie. In: Greshoff, Rainer und Uwe Schimank (Hrsg.): Integrative Sozialtheorie, S. 7-13. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90259-3_1.
  21. Greve, J.; Schnabel, A.; Schützeichel, R. (2008): Das Makro-Mikro-Makro-Modell in der soziologischen Erklärung – zur Einleitung. In ihrem gleichnamigen Buch S. 7-15. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91774-0_1.
  22. Hasse, Raimund und Georg Krücken (2008): Institution. In: Baur, N.; Korte, H.; Löw, M.; Schroer, M. (Hrsg.) (2008): Handbuch Soziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 163-182. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91974-4_8.
  23. Hensel, S.; Bizer, K.; Führ, M. (2010): Gesetzesfolgenabschätzung in der Anwendung. Nomos Verlag Baden Baden.
  24. Jansen, Dorothea (2000): Der neue Institutionalismus. Antrittsvorlesung an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer.
  25. Lepsius, Rainer M. (1995): Institutionenanalyse und Institutionenpolitik. In: Nedelmann, B. (Hrsg.): Politische Institutionen im Wandel. Sonderheft 35 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Opladen.
  26. Lhotta, Roland (2007): Verhaltensmodelle und Institutionen in der Politikberatung: eine politikwissenschaftliche Perspektive. In: Führ, M.; Bizer, K.; Feindt, P.H.: Menschenbilder und Verhaltensmodelle in der Politikberatung. Nomos Verlag Baden-Baden 2007. DOI: https://doi.org/10.5771/9783845201931-60.
  27. Lindenberg, Siegwart (1985): An Assessment of the New Political Economy: Its Potential for the Social Sciences and for Sociology in Particular. In: Sociological Theory, 3, S. 99-114. DOI: https://doi.org/10.2307/202177.
  28. Löw, Martina (2008a): Eigenlogische Strukturen – Differenzen zwischen Städten als konzeptuelle Herausforderung. In: Berking, H.; Löw, M. (Hrsg.): Die Eigenlogik der Städte. Neue Wege für die Stadtforschung. Campus Verlag Frankfurt a.M. S. 33-55.
  29. Löw, Martina (2008b): Soziologie der Städte. Campus Verlag Frankfurt a.M.
  30. Luckmann, Thomas (1992): Theorie des sozialen Handelns. de Gruyter Verlag, Berlin und New York. DOI: https://doi.org/10.1515/9783110848922.
  31. Maurer, Andrea (2008): Institutionalismus und Wirtschaftssoziologie. In: Maurer, Andrea (Hrsg.) (2008): Handbuch der Wirtschaftssoziologie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S. 62-84. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-90905-9.
  32. Mayntz, R.; Scharpf, F.W. (1995): Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus. In: Mayntz, R.; Scharpf, F.W.: Gesellschaftliche Selbstregulierung und politische Steuerung. Campus Verlag Frankfurt
  33. Meyer, Matthias (2005): Akteursmodell und ökonomischer Ansatz – Eine Verhältnisbestimmung. WHU-Forschungspapier Nr. 106. Vallendar/Rhein am 25.3.2010 www.whu.edu/cms/fileadmin/redaktion/LS-Cont/FP_105_Motivation_und_Einordnung_des_Akteursmodells.pdf
  34. Miebach, Bernhard (2006): Soziologische Handlungstheorie. Wiesbaden.
  35. Nida-Rümelin, Julian (1993): Das rational choice-Paradigma: Extensionen und Revisionen. In: Nida-Rümelin, J.: Praktische Rationalität. Berlin. DOI: https://doi.org/10.1515/9783110871555.
  36. North, D.C. (1992). Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung. Mohr Siebeck Tübingen.
  37. Ostrom, Elinor (1990): Governing the Commons: The Evolution of Institutions for Collective Action. Cambridge: Cambridge University Press. DOI: https://doi.org/10.1017/CBO9780511807763.
  38. Ostrom, Elinor; Gardner, Roy; Walker, James (1994): Rules, games and common-pool resources. Ann Arbor: University of Michigan Press. DOI: https://doi.org/10.3998/mpub.9739.
  39. Rodenstein, Marianne (2008): Die Eigenart der Städte – Frankfurt und Hamburg im Vergleich. In: Berking, H.; Löw, M. (Hrsg.): Die Eigenlogik der Städte. Neue Wege für die Stadtforschung. Campus Verlag Frankfurt a.M. S. 261-312.
  40. Scharpf, Fritz W. (2000): Interaktionsformen. VS Verlag Wiesbaden.
  41. Schimank, Uwe (2007): Handeln und Strukturen. Einführung in die akteurtheoretische Soziologie. 3. Aufl. Juventa Verlag Weinheim.
  42. Schmid, M.; Maurer, A. (2003): Institutionen und Handeln. Probleme und Perspektiven der Institutionentheorie in Soziologie und Ökonomie. In: Schmid, M.; Maurer, A.: Ökonomischer und soziologischer Institutionalismus. Interdisziplinäre Beiträge und Perspektiven der Institutionentheorie und –analyse. Metropolis Verlag Marburg S. 9-46.
  43. Schützeichel, Rainer (2008): Methodologischer Individualismus, sozialer Holismus und holistischer Individualismus. In: Greve, J.; Schnabel, A.; Schützeichel, R. (Hrsg.): Das Mikro-Makro-Modell der soziologischen Erklärung. Verlag für Sozialwissenschaften Wiesbaden.
  44. Senge, Konstanze (2006): Zum Begriff der Institution im NeoInstitutionalismus. In: Senge, K.; Hellmann K.-U. (Hrsg.) (2006): Einführung in den Neo-Institutionalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden S. 35-47.
  45. Weber, Max (2008/1922): Wirtschaft und Gesellschaft. Nachdruck Zweitausendeins, Frankfurt 2008.