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Nano-spezifische Gefahrenpotentiale

Nano-spezifische Gefahrenpotentiale

Die im Nano-Bereich liegende Teilchengeometrie eines Stoffes sagt alleine noch nichts darüber aus, welche Eigenschaften dieser Stoff aufweist und ob es sich damit um einen gefährlichen Stoff handelt. Dies ist jeweils im Einzelfall durch entsprechende Tests zu überprüfen.

Unabhängig von den einzelnen Prüfungen, deren Ergebnisse noch abzuwarten sind, ist hinsichtlich der besonders geringen Partikelgröße aber Folgendes festzuhalten: Diese besonders kleinen Partikel können Barrieren überwinden, die für größere Partikel unüberwindbar bleiben. Besonders relevante Barrieren dieser Art sind diejenigen menschlicher und anderer Organismen. Hinsichtlich ersterer ist bekannt, dass die sog. Endothele – das sind diejenigen Innenauskleidungen von Blutadern und sonstigen Gefäßen, die für den Aus-tausch von u. a. Nährstoffen, Elektrolyten und Hormonen zwischen Blut und Gewebe zu-ständig sind – für Partikel im nm-Bereich permeabel sind (Lippert 2000, 52). Zu diesen Endothelen zählen u. a. die Blut-Hirn-Schranke sowie die Leber und Nieren umgebenden Zellen, denen ein wichtiger Schutz vor Entzündungen zukommt. Vor diesem Hintergrund stellen Produktion und Verwendung solcher Partikel eine abstrakte Gefahr der Überwindung dieser Barrieren dar. Von daher erscheint es auch nicht verfehlt, von „nano-spezifischen Gefahrenpotentialen“ zu sprechen.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass ein Stoff im Nano-Format andere Eigenschaften aufweist als derselbe Stoff im Nicht-Nano-Format. Schon seit einiger Zeit gab es hierzu erste Erkenntnisse (Umweltbundesamt 2006). Nunmehr besteht für den seit vielen Jahren bekannten Stoff Titandioxid (CAS-Nr. 13463-67-7) Gewissheit: Dieser in großen Mengen produzierte und als Weißpigment verwendete Stoff wurde vor seinem Auftreten in dieser geringen Partikelgröße nicht als problematisch beurteilt, da entsprechende Tests, durchgeführt mit Partikeln im Makro-Format, ohne Befund blieben. Testergebnisse zu Titandioxid in Form von Nano-Partikeln zeigen nun aber, dass diese Partikel ökotoxische Wirkungen haben kön-nen (Hund-Rinke/Simon 2006, 225 ff.).
Die Beobachtung, dass die Eigenschaften eines Stoffes im Nano-Format sich von denen desselben Stoffes im Nicht-Nano-Format unterscheiden, wurde auch hinsichtlich anderer Stoffe gemacht (Nel et al. 2006, 622 ff.). Unklar ist noch, worauf exakt dieses unterschiedli-che Verhalten ein und desselben Stoffs zurückgeht. In Frage kommen neben der Partikel-größe auch die Kristallstruktur, die Oberflächenbeschaffenheit und die Oberflächengröße. Vor diesem Hintergrund macht es – infolge der spezifischen Wirkungen, die von Nano-Materialien auf Organismen und Biozönosen ausgehen können – von der Problemlage, auf die der Gesetzgeber zu reagieren hat, durchaus einen Unterschied, ob ein Stoff im Nano-Format vorliegt oder in einer anderen Größenordnung.

 

  • Hund-Rinke/Simon 2006: Hund-Rinke, K.; Simon, M.; Ecotoxic Effect of Photocatalytic Active Nanoparticels (TiO2) on Algae and Daphnids. In: Environ. Sci. Pollut Res 13, 225-232 (2006).
  • Lippert 2000:  Lippert, H.;  Lehhrbuch Anatomie, 5. Aufl., München/Jena (2000).
  • Nel et al. 2006: Nel, A.; Xia, T.; Mädler, L.; Ning, L.; Toxic Potential of Materials at the Nanolevel. In: Science 311, 622-627 (2006).
  • Umweltbundesamt 2006:  Nanotechnik - Chancen und Risiken für Mensch und Umwelt, Hintergrundpapier, Dessau August 2006
  • European Commission: Follow-up to the 6th Meeting of the REACH Competent Authorities for the implementation of Regulation (EC) 1907/2006 (REACH) , Nanomaterials in REACh, 16 December 2008, CA/59/2008 rev. 1: Download PDF, 274 KB

 

Zu den "gesundheitlichen Wirkungen und Risiken durch Nanopartikel" siehe auch den Beitrag von Wilfried Kühling im KGV-Rundbrief 3+4/2006, 11 ff.

 

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